Unternehmer, die Ihren Gewinn mithilfe der Einnahmenüberschussrechnnung (EÜR) erklären, ziehen ihre Betriebsausgaben grundsätzlich in dem Jahr ab, in dem sie diese bezahlt haben. Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme: die Zehn-Tage-Regel des § 11 EStG. Sie besagt, dass Zahlungen, die sie bis zum 10. Januar leisten, steuerlich noch zum Vorjahr gehören, wenn es sich um regelmäßig wiederkehrende Betriebsausgaben handelt und die Ausgaben wirtschaftlich zum alten Jahr gehören. Hierunter fallen üblicherweise laufende Versicherungsbeiträge, Pachten, Mieten und Gehälter.
Vor einigen Jahren wurde – etwas überraschend – entschieden, dass auch Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig wiederkehrende Betriebsausgaben gelten. Folge: Die Vorauszahlungen für den Monat Dezember (bzw. bei Dauerfristverlängerung für den Monat November) oder für das vierte Quartal, die bis zum 10. Januar des folgenden Jahres abzuführen sind, gehören noch zum alten Jahr und sind dort als Betriebsausgaben abzusetzen. Der Fiskus nimmt es sehr genau: Es besteht kein Wahlrecht. Wenn die Umsatzsteuer-Vorauszahlung erst nach dem 10. Januar erfolgt, kann sie bei Einnahmen-Überschussrechnern als Betriebsausgabe nicht mehr im alten Jahr, sondern muss (!) im neuen Jahr erfasst werden. Die Zahlung nach dem 10. Januar sei keine regelmäßig wiederkehrende Ausgabe mehr (OFD Nordrhein-Westfalen vom 7.3.2014, Kurzinfo ESt 9/2014).
Was gilt, wenn der 10. Januar ein Samstag oder ein Sonntag ist – wie in 2021?
Die Umsatzsteuer-Voranmeldung ist jeweils bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes selbst zu berechnen, elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln und auch zur Zahlung fällig. Für den Monat Dezember (bei Dauerfristverlängerung für November) oder – bei Quartalszahlern – für das vierte Quartal ist die Zahlung bis zum 10. Januar des Folgejahres zu leisten. Die Fälligkeit der Umsatzsteuer-Vorauszahlung verschiebt sich auf den nächsten Werktag, wenn der 10. Januar auf einen Samstag oder Sonntag fällt. Bei der Vorauszahlung für Dezember 2020 bzw. bei Dauerfristverlängerung für November 2020 war das der 11. Januar 2021 (§ 108 Abs. 3 AO). Und was gilt dann bei der Einnahmen-Überschussrechnung? Antwort: Wenn die Umsatzsteuer-Vorauszahlung erst nach dem 10. Januar 2021 erfolgt ist, kann sie bei Einnahmen-Überschussrechnern als Betriebsausgabe nicht mehr in der Jahresrechnung 2020 berücksichtigt werden, sondern darf erst in der Jahresrechnung 2021 erfasst werden. Die Zahlung nach dem 10. Januar ist jetzt keine regelmäßig wiederkehrende Ausgabe mehr (OFD Nordrhein-Westfalen vom 7.3.2014, Kurzinfo ESt 9/2014).
Der Bundesfinanzhof hat die enge Sicht der Finanzverwaltung bestätigt: Eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung nach dem 10. Januar kann nicht mehr als Betriebsausgabe des alten Jahres berücksichtigt werden, denn die Zahlung ist nicht mehr innerhalb der „kurzen Zeit“ gemäß § 11 EStG erfolgt. Eine „kurze Zeit“ ist generell ein Zeitraum von nur zehn Tagen. Dies gilt auch dann, wenn der 10. Januar ein Samstag oder Sonntag ist und sich deshalb die Fälligkeit auf den nächsten Werktag verschiebt (§ 108 Abs. 3 AO). Diese zulässige Fristverlängerung bei der Umsatzsteuer hat auf die Zehn-Tage-Frist gemäß § 11 EStG bei der Einkommensteuer keinen Einfluss (BFH-Urteil vom 11.11.2014, VIII R 34/12). Das heißt: Ist die Fälligkeit am 11. Januar und wird auch am 11. Januar gezahlt, kann die Zahlung nicht dem Vorjahr zugeordnet werden.
Was gilt bei Zahlung vor Fälligkeit?
Es gibt Fälle, in denen zwar die Zahlung erst am 11. Januar fällig wird, die Steuerpflichtigen aber zum Beispiel bereits am 8. Januar überwiesen haben. Hier hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden: Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt werden, sind auch dann im Vorjahr steuerlich abziehbar, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Sonnabend oder Sonntag fällt. Auf die verlängerte „Fälligkeitsfrist“ am folgenden Werktag kommt es bei der Einkommensteuer überhaupt nicht an (BFH-Urteil vom 27.6.2018, X R 44/16).
Und wie steht es mit Einzugsermächtigungen?
Im Lastschriftverfahren liegt ein Abfluss im Sinne des § 11 EStG bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch die Erteilung der Einzugsermächtigung und eine ausreichende Deckung seines Girokontos alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Zahlung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu gewährleisten. Wann der Leistungserfolg eintritt, ist unerheblich. Der Abfluss ist daher regelmäßig mit Abgabe der Voranmeldung anzunehmen (Bayerisches Landesamt für Steuern vom 27.7.2021, S 2226.2.1-5/23 St32).
Das heißt: Bei erteilter SEPA-Lastschrift erfolgt eine wirtschaftliche Zuordnung der Dezember-Zahllast 2020, die am 11. Januar 2021 eingezogen wird, also noch zum Jahr 2020 – vorausgesetzt, die entsprechende Voranmeldung wurde bis zum 10. Januar 2021 eingereicht. Das heißt anders herum: Wird die Voranmeldung erst am 11. Januar 2021 übermittelt und wird auch erst am 11. Januar 2021 eingezogen, so ist die Zahllast dem Jahr 2021 zuzuordnen.
Wichtig: Auch die Fälligkeit muss rund um den Jahreswechsel liegen
Wie ausgeführt kommt die Zehn-Tage-Regelung zum Tragen, wenn Zahlungen zwar im neuen Jahr geleistet werden, aber wirtschaftlich noch zum alten Jahr gehören. Sie sind steuerlich dann dem Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit an und sind nicht dem Jahr der Zahlung zuzuordnen.
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Zehn-Tage-Regelung an eine weitere, wichtige Voraussetzung zu knüpfen ist: Die Annahme einer regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe setzt nicht nur voraus, dass sie kurze Zeit nach Ende des Kalenderjahres ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit gezahlt wird. Vielmehr muss sie auch innerhalb eines kurzen Zeitraums rund um den Jahreswechsel fällig geworden sein (BFH-Urteil vom 16.2.2022, X R 2/21).
- Der Fall: Der Kläger ermittelte seinen gewerblichen Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung. Er zahlte die Umsatzsteuer für die Monate Mai bis Juli 2017 verspätet erst am 9. Januar 2018, machte die Zahlung dennoch als Betriebsausgabe für das Streitjahr 2017 geltend. Das Finanzamt gewährte den Abzug nicht. Es meinte, es lägen keine regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben im Sinne des Einkommensteuergesetzes vor, da die betroffene Umsatzsteuer nicht rund um die Jahreswende 2017/2018, sondern weitaus früher fällig geworden sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Der BFH wies die Revision zurück.
- Begründung: Zwar handele es sich bei Umsatzsteuerzahlungen um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Der Kläger habe die dem Streitjahr 2017 wirtschaftlich zuzuordnende Umsatzsteuer auch innerhalb kurzer Zeit nach dem 31. Dezember 2017 gezahlt. Hinzukommen müsse aber, dass die jeweilige Ausgabe auch kurze Zeit vor bzw. nach Ende Jahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sei. Dies folge aus dem Zweck der § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG, der eine Ausnahme des ansonsten für die Einnahmen-Überschussrechnung geltenden Zu- bzw. Abflussprinzips darstelle. Durch die Regelung sollten steuerliche Zufälligkeiten vermieden werden, die dann entstünden, würde man die Zahlung – je nach Zahlungszeitpunkt – mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen. Deswegen sei notwendig, dass die Zahlung auch innerhalb des mit zehn Tagen festgelegten kurzen Zeitraums rund um den Jahreswechsel zahlbar – das heißt fällig – geworden sei. Andernfalls könnten Nachzahlungen für bereits längst fällig gewordene Verpflichtungen zu einem vom Zeitpunkt der Zahlung unabhängigen Betriebsausgabenabzug führen. Eine solche Handhabung widerspräche dem grundsätzlich für die Einnahmen-Überschussrechnung geltenden Prinzips der Kassenrechnung.
BlitzBooks: Die Zehn-Tage-Regelung ist leider recht kompliziert und kann aufgrund der strengen Haltung der Finanzverwaltung mitunter zu fatalen Folgen führen. Wenn nämlich die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember (bzw. bei Dauerfristverlängerung für den Monat November) oder für das vierte Quartal im falschen Jahr als Betriebsausgabe erfasst wird und dies erst später – zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung – erkannt wird, kann es sein, dass der Betriebsausgabenabzug vollständig verlorengeht. Daher sollte der Zuordnung zum richtigen Jahr besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Fragen Sie gegebenenfalls bei Ihrem Finanzamt nach, wann Sie die Umsatzsteuerzahllast für den Monat Dezember (bzw. bei Dauerfristverlängerung für den Monat November) oder für das vierte Quartal in der Einnahmen-Überschussrechnung erfassen müssen. Übrigens verzweifeln selbst Steuerexperten an der Zehn-Tage-Regel.