Während der Corona-Pandemie wurden im Frühjahr 2020 (erster Lockdown) und im Winter 2020 (zweiter Lockdown) Betriebe der Gastronomie und andere Geschäfte flächendeckend auf staatliche Anordnung geschlossen. Die Betriebsschließungsversicherung ist eine besondere Form der Betriebsunterbrechungsversicherung. Damit können sich Gastronomen gegen Verluste absichern, wenn das Lokal durch behördliche Anordnung geschlossen wird. Das Problem: Die Versicherungen wollen für den Ausfall aufgrund der coronabedingten Betriebsschließung während des Lockdowns nicht zahlen, weil Corona in den Versicherungsbedingungen nicht aufgeführt sei.
Für den ersten Lockdown vom 22.3. bis 25.5.2020 besteht nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung. Der BGH erklärte, der Versicherer müsse nur für Krankheitserreger zahlen, die in einer Liste in den Vertragsklauseln aufgeführt seien. Das Sars-2-Virus (Covid-19) war dort nicht genannt (BGH-Urteil vom 26.1.2022, IV ZR 144/21).
Anders aber liegt der Fall beim zweiten Lockdown vom 2.11.2020 bis 28.3.2021: Der Bundesgerichtshof hat einem Hotelbetreiber wegen der Schließung seines Hotels einen Anspruch auf Versicherungsleistungen zugesprochen. Denn in den dort vereinbarten Versicherungsbedingungen wurde nur auf die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten verwiesen. Und zum 23.5.2020 war Covid-19 als Krankheit ins InfSG aufgenommen worden (BGH-Urteil vom 18.1.2023, IV ZR 465/21).
- Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung, welche Krankheiten von der Versicherungsleistung umfasst sind, ist nicht der Vertragsschluss, sondern der Zeitpunkt, in dem der Schaden beim Versicherungsnehmer eintritt. Für den Versicherungsnehmer ist aus den Vertragsbedingungen nämlich nicht ersichtlich, auf welchen Zeitpunkt es für den Leistungsanspruch ankomme. Diese Unsicherheit geht zulasten des Versicherers als Verwender. Erfolgte die behördliche Schließungsanordnung nach dem 23.5.2020, sind Versicherer daher verpflichtet, für die dadurch entstehenden Schäden ihrer Versicherungsnehmer aufzukommen.
- Der zweite Lockdown ab November 2020 stellt einen neuen Versicherungsfall in der Betriebsschließungsversicherung dar. Nicht alle Versicherer haben nach dem ersten Lockdown die Verträge wegen Eintritt des Versicherungsfalls gekündigt. Das bedeutet, es bestand weiterhin Versicherungsschutz!
- Der BGH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und verweigert dem Hotelier einen Versicherungsanspruch für die Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020. Denn für diesen Zeitraum war Covid-19 noch nicht als meldepflichtige Krankheit im Infektionsschutzgesetz aufgelistet.
Im März 2022 hatte der Bundesgerichtshof geklärt, dass der Staat nicht für Einnahmeausfälle haftet, die durch flächendeckende vorübergehende Betriebsschließungen oder Betriebsbeschränkungen aufgrund von staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten COVID-19-Krankheit entstanden sind (BGH-Urteil vom 17.3.2022, III ZR 79/21).