Unternehmer müssen die Umsatzsteuer grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten berechnen – unabhängig davon, ob der Kunde bereits gezahlt hat. Diese sogenannte Soll-Besteuerung kann die Liquidität belasten. Kleinere Unternehmen und Freiberufler haben jedoch die Möglichkeit, auf Antrag zur Ist-Besteuerung zu wechseln, sodass die Umsatzsteuer erst bei Zahlungseingang ans Finanzamt abgeführt werden muss.
Doch Achtung: Wer freiwillig Bücher führt, kann laut einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg nicht zur Ist-Besteuerung wechseln.
Was bedeutet Ist-Besteuerung?
Nach § 20 UStG dürfen bestimmte Unternehmer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnen. Das bedeutet:
- Die Umsatzsteuer entsteht erst mit Zahlungseingang.
- Es muss keine Steuer für noch nicht erhaltene Beträge abgeführt werden.
- Die Regelung ist besonders vorteilhaft für kleine Unternehmen und Freiberufler.
Allerdings gelten bestimmte Voraussetzungen, insbesondere dürfen Unternehmer eine festgelegte Umsatzgrenze nicht überschreiten.
Urteil: Keine Ist-Besteuerung bei freiwilliger Buchführung
Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied am 9. Juli 2024 (Az. 9 K 86/24), dass Freiberufler die Ist-Besteuerung nicht in Anspruch nehmen können, wenn sie – auch freiwillig – Bücher führen.
Der Fall:
- Eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern ermittelte ihren Gewinn freiwillig durch Betriebsvermögensvergleich.
- Das Finanzamt hatte die Ist-Besteuerung zunächst gestattet, widerrief diese jedoch rückwirkend ab dem 1. Januar 2019.
- Begründung: Die Partnerschaft überschreite die Umsatzgrenze und führe zudem freiwillig Bücher, wodurch eine Ist-Besteuerung ausgeschlossen sei.
- Die Klage gegen den Widerruf blieb erfolglos.
Begründung des Gerichts:
Laut Finanzgericht ist der Zweck der Ist-Besteuerung, Unternehmern ohne Buchführungspflicht zusätzliche Aufzeichnungen zu ersparen. Daher sei es nicht gerechtfertigt, zwischen einer verpflichtenden und einer freiwilligen Buchführung zu unterscheiden. Wer freiwillig Bücher führt, kann sich nicht auf § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG berufen.
Zudem sei die unterschiedliche Behandlung von Unternehmern, die ihren Gewinn mittels Betriebsvermögensvergleich, Einnahmen-Überschussrechnung oder OPOS-Listen ermitteln, sachlich begründet. Der Betriebsvermögensvergleich entspreche eher der Soll-Besteuerung, während die Einnahmen-Überschussrechnung keine Forderungskonten benötigt.
Revision beim Bundesfinanzhof anhängig
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Die Klägerin argumentierte unter anderem mit der Einfügung des § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG durch das Jahressteuergesetz 2022. Die Revision wird beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen V R 16/24 geführt.